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Bio-Batterie: Mehr Nachhaltigkeit für das Internet of Things

Das Internet of Things (IoT) eröffnet Unternehmen ganz neue Möglichkeiten, indem beispielsweise durch Sensoren in physischen Gegenständen Daten gesammelt und ausgewertet werden können. Diesem Nutzen steht aber auch ein Problem gegenüber: Die Energieversorgung und entsprechend die Nachhaltigkeit dieser Lösungen. EMPA-Forscher Gustav Nyström hat dafür mit seiner "Bio-Batterie" eine Lösung entwickelt.
Mit Gustav Nyström sprach Oliver Bosse
Sie haben eine „biologisch abbaubare Batterie“ entwickelt. Können Sie in einfachen Worten erklären, was das technisch bedeutet?
Es ist keine Batterie im umgangssprachlichen Sinne des Wortes. Es ist eigentlich ein Superkondensator. Kondensatoren lassen sich sehr schnell und wiederholt laden, entladen sich aber auch wieder rasch. Der Clou ist ganz verkürzt gesagt, dass wir Kohlenstoffpartikel nutzen, um Ladung auf Elektroden zu speichern und dass das ganze Konstrukt aus einem Guss im 3D-Drucker entsteht, der den Kondensator aus verschiedenen Schichten komplett biologisch abbaubaren Materials zusammensetzt.
Daneben arbeiten wir aber auch an einer Primärbatterie nach einem ähnlichen Prinzip, die nur einmalig benutzt werden kann und je nach Bedürfnissen entweder über längere Zeit konstant wenig Energie liefert oder etwas mehr Power in kürzerer Zeit.
Was ist der Hintergrund dieser Idee?
Ich habe persönlich bereits viel in diesem Bereich geforscht – mit leitfähigen Polymeren oder organisch basierten Batteriesystemen. Was ich aber immer schade fand: Nichts davon kam bisher gänzlich ohne toxische Inhaltsstoffe aus. Ich wollte also auch noch den letzten Schritt gehen und eine Batterie mit ausschliesslich biologisch abbaubaren Komponenten entwickeln. Denn ich bin überzeugt, dass eine solche Lösung in unserer heutigen Welt einen wichtigen Beitrag für die Umwelt leisten und Teil einer grösseren Vision sein kann.
Was für eine Vision sprechen Sie an?
Meine Abteilung an der Empa nennt sich „Cellulose & Wood Materials“. Entsprechend liegt der Fokus unserer Forschung nicht, wie vielleicht die Entwicklung dieser Batterie vermuten lassen würde, allein auf dem „Energie-Aspekt“. Wir suchen viel breiter nach neuen Möglichkeiten, wie nachhaltige Materialien vermehrt Einzug in die Technologie oder andere Bereiche halten können. Das ist spannend, aber auch schwierig. Die Performance muss stimmen, damit sich etwas durchsetzen kann und in Anwendungen zum Einsatz kommt. Mit unserer komplett biologisch abbaubaren Batterie ist uns diesbezüglich ein grosser Schritt gelungen.
Es könnten hunderte oder tausende Sensorsysteme beispielsweise irgendwo im Wald oder auf einem Feld platziert und theoretisch auch dort belassen werden, ohne die Umwelt zu belasten.
Genau, der Impact wird wohl unter anderem über die Anwendungsbereiche und die Performance der Batterie entschieden werden. Wie steht sie diesbezüglich da?
Wir sprechen hier über Batterien mit eher geringer Leistung für beispielsweise Sensoren. Die Anwendungen, die solche benötigen, haben sich in den letzten 10 bis 20 Jahren deutlich vermehrt – insbesondere im Bereich Internet of Things (IoT), beispielsweise beim Logistik-Monitoring. Dort läuft schon ein Projekt von uns. Es nennt sich „GREENsPACK“ für Green Smart Packing in der Transportlogistik. Wir haben also nicht einfach ins Blaue hinaus mit der Entwicklung begonnen, sondern wussten, dass es effektiv Anwendungsbereiche dafür gibt.
Was sind abgesehen von Logistik-Monitoring konkrete Einsatzgebiete?
Interessant ist unsere Erfindung auch für die Lebensmittel- und Umwelt-Sensorik. Es könnten hunderte oder tausende Sensorsysteme beispielsweise irgendwo im Wald oder auf einem Feld platziert und theoretisch auch dort belassen werden, ohne die Umwelt zu belasten.
Man könnte damit also beispielsweise Sensoren in Wäldern ausstatten, die vor Waldbränden warnen?
Ja, genau, Umwelt-Sensorik für Wälder wäre eine Möglichkeit, das genaue Konzept muss aber noch weiterentwickelt und getestet werden.
In Situationen wie der aktuellen Corona-Pandemie könnte unsere Entwicklung sehr nützlich sein und viel dazu beitragen, die Umweltbelastung zu reduzieren.
Wo liegen die Einsatzgebiete der angesprochenen Primärbatterie für den Einmalgebrauch?
Sie eignet sich beispielsweise im biomedizinischen Bereich für Einwegsysteme wie Test-Kits, die dann biologisch abbaubar sind und entsprechend keine Umweltbelastung bei der Entsorgung verursachen. Man denke an Situationen wie die aktuelle Corona-Pandemie, wo in grossem Mass bestimmte Technologie gebraucht wird, aus nachvollziehbaren Gründen auch einmalig. Da könnte unsere Entwicklung sehr nützlich sein und viel dazu beitragen, die Umweltbelastung zu reduzieren.
Liesse sich denn Ihre Entwicklung in grossem Stil produzieren?
Wir arbeiten bei unserem Druckverfahren bewusst nicht unter speziellen Bedingungen beziehungsweise in normalen atmosphärischen Verhältnissen. Das ist die Voraussetzung dafür, danach auch ein Resultat zu haben, das sich möglichst einfach, effizient und skalierbar produzieren lässt.
Könnte sie einst klassische Batterien in unserem Alltag ablösen?
In unserem Alltag gibt es vor allem Anwendungen, die auf Standardbatterien ausgelegt sind. Das ist nicht unser primärer Ansatzpunkt. Es geht eher in die Richtung eines komplett gedruckten Systems, bei dem die Energiekomponente der eine Teil ist und die Sensorik beziehungsweise das System an sich der andere – oder anders gesagt: Für ganz spezifische Bedürfnisse entwickelte Lösungen.
Viele Anwendungen werden sparsamer im Energieverbrauch und entsprechend steigt insgesamt das Potenzial bio-basierter Batterien.
Trotzdem, es geht in Richtung Marktfähigkeit …
Ja. Unsere Forschungsergebnisse haben bereits Interesse seitens der Industrie geweckt. Ich darf noch nicht zu viel darüber verraten, aber wir sind in Gesprächen für Projekte mit potenziellen Partnern. Es handelt sich um die Verarbeitung von bestehenden Produkten, die möglichst „grün“ gemacht werden sollen, aber auch um komplett neue Funktionalitäten von Material, die durch unsere Energiekomponente ermöglicht werden sollen.
Der Umweltaspekt rückt immer stärker in das Bewusstsein vieler Unternehmen. Wie schätzen Sie das Potenzial ein, dass weitere Unternehmen sich in diese Richtung entwickeln wollen?
Ich glaube, das Potenzial ist gross. Man darf dabei allerdings nicht vergessen, dass es wirklich um „Low Power“-Anwendungen geht. Wir nutzen Materialien praktisch direkt aus der Natur und damit ist die Leistungsfähigkeit irgendwo begrenzt. Eine Hochleistungsbatterie ist deshalb nicht realistisch. Aber viele Anwendungen werden auch sparsamer im Energieverbrauch und entsprechend steigt insgesamt das Potenzial bio-basierter Batterien.
Sie haben zu Beginn von Ihrer Vision gesprochen. Was ist Ihr Wunsch für diese Entwicklung? Was wollen Sie damit in den nächsten Jahren erreichen?
Ich freue mich grundsätzlich schon an der Tatsache, dass wir mit unserem Beitrag die Diskussion anregen, wie wichtig und nützlich die Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet sind. Zum anderen freue ich mich, wenn es jetzt vermehrt in die Richtung geht, dass die Batterie in Anwendungen zum Einsatz kommt. Wenn man an die Logistik denkt mit Millionen über Millionen von Verpackungen, hätte unsere Erfindung zwar nicht auf jede einzelne einen grossen Impact, aber auf das Gesamtvolumen gesehen schon. Einen Beitrag zu einer besseren, nachhaltigen Welt zu leisten, das ist unter dem Strich das, was ich mir wünsche.
Zur Person
Der gebürtige Schwede Gustav Nyström studierte Physik am KTH Royal Institute of Technology in Stockholm und der Technischen Universität Darmstadt und machte anschliessend seinen Doktortitel an der Universität Uppsala in organischer Elektronik und papierbasierter Energiespeicherung. Er war im Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie an der ETH Zürich als leitender Wissenschaftler und Dozent tätig. Seit 2018 leitet Nyström die Abteilung für Cellulose & Wood Materials an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa).