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Facebook down: Was wir daraus lernen können!

Was ist das doch für eine Aufregung um Facebook dieser Tage. Die Schlagzeilen reichen von Panne über Blackout bis Totalausfall. Es scheint fast so, als habe der homo digitalicus eine der grössten Katastrophen der jüngeren Geschichte erlebt. Sieht man mal genauer hin, ist dem Ganzen jedoch durchaus auch etwas Positives abzugewinnen.
von Strigalt von Entf*

Es war Montag. Zunächst ein Montag, wie viele Montage, ein Tag, der das Wochenende beendet und die Menschen zurück in die Tretmühle der Realität holt. Doch dann ereignete es sich. Es ereignete sich das Unglaubliche, das Unfassbare, das Undenkbare: Es ereignete sich das, was sich Oma Elfriede jedes Jahr zum Geburtstag wünscht: nichts. Zumindest, wenn man sich auf den grossen Social Media Plattformen Facebook und Instagram einwählen wollte. Fehler, Error, Server nicht gefunden, das Leben steht still, weil das Leben einfach weitergeht.
Natürlich, verehrte Leserinnen und Leser, zieht ein solcher Dilettantismus zunächst den Unmut der Massen nach sich. Die Wut, die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung manifestierte sich in den Mägen alljener Nutzer*innen der weltvernetzenden Datenkraken, die eben noch frohgemut darauf hofften, einen kurzen Blick auf die neuesten Designideen für vegane Channuka-Cakepops zu werfen, einen aufmunternd-emporgereckten Daumen für Cousins Fotostrecke über seine erste selbstgeweisselte Wand in der Studentenbude dazulassen oder mit den neuesten Ausfällen des verhassten Lieblingspolitikers magensäfteanwallend konfrontiert zu werden. Vergebens, denn es erwartete einen lediglich die kühl abweisende Schulter einer höchst unpersönlichen Fehlermeldung, die es dennoch schafft, allen Betrachtenden den Eindruck zu vermitteln, sie seien ganz persönlich gemeint.
Natürlich zieht ein solcher Dilettantismus zunächst den Unmut der Massen nach sich.
Doch, liebe Mitreflektierer*innen des menschlichen Daseins, treten wir einen Schritt zurück und betrachten die Ereignisse mit dem nun gebührenden emotionalen Abstand und tun es der unsehenden Justitia gleich: Wägen wir ab. Was war es denn wirklich, was die enttäuschten Nutzer*innen, was uns auf die sprichwörtliche Palme gebracht hat? War es wirklich die Sehnsucht nach stark farbgefilterten Fotos von Inneneinrichtungen, die wir uns im Leben nie selbst so antun würden? Wohl kaum. Vielmehr war es die unheilschwangere Melange aus enttäuschter Erwartung, der Unsicherheit darüber, wie es weitergeht und natürlich der grossen Angst, man könne ein wichtiges Ereignis verpassen. In der Folge verbrachte man beinahe noch mehr Zeit damit, die verlorenen Seiten neu zu laden, in der verzweifelten Hoffnung, sie würden den Blick auf das Paradies der virtuellen Kontakte wieder freigeben, als man es täte, wenn die Seiten einfach funktionieren.
Was war es denn wirklich, was die enttäuschten Nutzer*innen, was uns auf die sprichwörtliche Palme gebracht hat? War es wirklich die Sehnsucht nach stark farbgefilterten Fotos von Inneneinrichtungen, die wir uns im Leben nie selbst so antun würden?
Nutzen wir unser schärfstes Schwert, nutzen wir unsere Fantasie: Was, wenn diese Unvorhersehbarkeit eliminiert würde? Was, wenn Social Media Plattformen nicht einfach rund um die Uhr verfügbar wären, sondern eine regelmässige Sperrstunde einführen würden? Man wüsste bereits im Voraus: Freitag ab 18:00 Uhr hat Facebook zu, Sperrstunde, Sie müssen nicht nach Hause, doch hier können Sie nicht bleiben. Es gibt nichts zu verpassen, kein Skandal, der einem entgeht, keine Anekdote eines entfernten Freundes, die man versäumt. Denken Sie, hochgeschätzte Lesende! Stellen Sie sich diese Welt vor! Die Freiheit, die man plötzlich gewinnt, ohne die Vorzüge der digitalen Vernetztheit aufzugeben. Zeiten, in denen man sich voll und ganz den Gesprächen mit real anwesenden Personen widmen kann, ohne ständig den Drang zu haben, nur mal eben kurz einen Blick in den bodenlosen Brunnen der sozialen Netzwerke zu werfen, denn dieser ist sowieso zeitweise versiegelt. Man widmet sich zu der Zeit den Angelegenheiten des echten Lebens, zur anderen Zeit geniesst man umso intensiver und wertschätzender die Schönheiten und Gefälligkeiten des Virtuellen. Digital Detox täglich, aber ohne Entzugserscheinungen, Balsam für die zerrissene Seele des homo digitalicus. Imagine all the people living for today.
Verehrt – Ihr Strigalt von Entf
Zum Format
*Unser Format "Feuill-IT-ong" entsteht in Zusammenarbeit mit den freien Autoren Tobias Lauterbach und Daniel Al-Kabbani, die mitunter für die Satire-Plattform "Der Postillon" engagiert sind. Sie berichten unter dem Pseudonym Strigalt von Entf über aktuelle Geschehnisse aus der Welt der Technologie - natürlich immer mit einem Augenzwinkern! ;-)