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7 Habits zur Verkürzung der Time-to-Value im Process Mining

Process Mining hilft Unternehmen, Verbesserungspotenzial in ihren Prozessen zu finden. Der Erfolg von Process Mining hängt jedoch davon ab, wie schnell der Wert dieser Erkenntnisse realisiert werden kann. Ich gebe dir 7 Handlungsempfehlungen, mit denen du die Zeit bis zur Wertschöpfung in deinem Process-Mining-Projekt verkürzt.


von Rafael Accorsi

Geschäftsprozesse werden zunehmend komplexer und verwobener. Im Zuge dessen wird es auch immer schwieriger, den Überblick zu behalten: Wo bestehen Engpässe in unserer Produktion? Wie setzen wir unsere Ressourcen am besten ein? Wie können wir skalieren, ohne dass unsere Produktivität sinkt?

Um solche Fragen beantworten zu können, müssen Unternehmen genau verstehen, wie ihre Prozesse funktionieren und wo deren Schwachstellen liegen. Eine Methode, diese Erkenntnisse zu gewinnen, ist Process Mining.

Process-Mining-Software nutzt Algorithmen und Machine Learning (ML), um Unternehmen bei der Erfassung von Informationen aus ihren Transaktionssystemen zu unterstützen. Sie erstellt sogenannte "Event Logs", aus denen hervorgeht, wie die computervermittelte Arbeit ausgeführt wird, insbesondere wer sie erledigt, wie lange das dauert und inwiefern die verschiedenen Arbeitsabläufe voneinander abweichen. Diese Erkenntnisse können genutzt werden, um potenzielle Bereiche für Prozess-Verbesserungen zu ermitteln – was wiederum zu niedrigeren Kosten, höheren Einnahmen oder geringerem Energieverbrauch führen kann.

So weit, so gut – aber woher weiss ich, ob sich solche Prozess-Verbesserungen in einen realen Geschäftswert verwandeln?

 

Time-to-Insight und Time-to-Value

Die beiden Schlüsseldimensionen, um den Erfolg von Process Mining zu messen, sind die Time-to-Insight (TTI) und die Time-to-Value (TTV).

Die Time-to-Insight misst die Zeit, die man braucht, um etwas im Prozess zu verstehen. Einen solchen Einblick zu gewinnen – zu wissen, wo ein Prozess verbessert werden kann und wie – ist der erste Schritt. Dies bedeutet jedoch noch keinen wirklichen Wert für das Unternehmen, wie etwa eine Kosteneinsparung oder eine Umsatzsteigerung.

Hier kommt die zweite Schlüsseldimension ins Spiel: Die Time-to-Value zeigt, wie lange es dauert, bis das Unternehmen einen realen Wert aus der eingeführten Prozess-Verbesserung ziehen, bzw. die Verbesserung greifbar und messbar machen kann.

Ich betreue seit mehreren Jahren Process-Mining-Projekte und konnte dabei feststellen, dass sich in den meisten Fällen die Time-to-Insight mit der Zeit enorm verbessert: Unternehmen gewinnen in sehr kurzer Zeit viel schneller Erkenntnisse. Die Time-to-Value steigert sich jedoch viel langsamer.

Deshalb habe ich 7 Handlungsempfehlungen (Habits) entwickelt, die einem, wenn sie befolgt werden, helfen, den durch Process Mining gewonnenen Wert schneller zu verwirklichen.

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Wie du die Time-to-Value verkürzt

Habit 1: Identifiziere die wichtigsten Problembereiche.
Eine der schwierigsten Fragen beim Process Mining ist, wo man anfangen soll und wie man die vielversprechendsten Prozesse (sogenannte Value Cases) für eine allfällige Veränderung findet. Meine wichtigsten Tipps hierfür sind:

  • Sei am Anfang nicht zu selektiv, sondern versuche, allgemeine Problembereiche zu identifizieren. Frage dich zum Beispiel: Wie steht es um den Prozess der Auftragsverwaltung?
  • Konzentriere dich einerseits auf isolierte Prozesse, andererseits auf ihr Zusammenspiel. Um das Beispiel wiederaufzunehmen: Betrachte nicht nur die Kundenauftragserstellung z. B. in SAP, sondern auch den Lead-Management-Prozess z. B. auf SalesForce.
  • Achte auf Bereiche, in denen typischerweise Wert ungenutzt brach liegt, wie etwa Procurement, Finances und Supply-Chain, vor allem, wenn diese dir sagen, "unsere Prozesse laufen gut".
  • Wenn du hingegen eine grosse Anzahl von Fällen zur möglichen Prozess-Optimierung geliefert bekommst, sei kritisch – lieber wenige gute, fokussierte Value Cases als möglichst viele.
  • Stelle dabei sicher, dass du die Value Cases, Prozesse und Bereiche mit einer Standardvorlage dokumentierst und die Nutzergruppen einbeziehst, die potenziell von dem Fall profitieren könnten.


Habit 2: Definiere einen klaren Value Case.

Die meisten von uns sind es gewohnt, in "Use Cases" zu denken, daher fragst du dich vielleicht, was ein "Value Case" überhaupt ist.

Ein Use Case ist definiert durch einen operativen Fokus, die zu messenden KPIs und die Rollen, die diese KPIs verwenden. Er hat normalerweise keinen klaren Umfang und mehrere Sub-Use-Cases. Er ist eher analytisch als lösungsorientiert.

Im Gegensatz dazu konzentriert sich ein Value Case auf den Nutzen und das Ergebnis. Seine KPIs werden danach ausgewählt, welche Erkenntnisse dazu beitragen, vom Ist- zum Soll-Zustand zu gelangen. Er bietet einen klar definierten Umfang und Wert (ROI) sowie Drill-Downs und potenzielle Lösungen.

Indem du an einen Value Case und nicht an einen Use Case denkst, stellst du den Wert in den Mittelpunkt deines Handelns – also genau das, was man am Ende erreichen will. Einfach ausgedrückt bedeutet das: Belasse es bei deinem Case nicht bei einer abstrakten Idee, sondern formuliere eine konkrete Aussage als Ziel. Der Value Case wird in der Regel auf einem sogenannten Value-Case-Canvas festgehalten. Ein Beispiel für die Struktur eines Value-Case-Canvas findest du in Abbildung 1:

Abbildung 1: Beispiel für die Struktur eines Value-Case-Canvas.

 

Habit 3: Beginne mit einem kleinen, aber vielversprechenden Value Case.
Oft wird zunächst nach Fällen gesucht, in denen man leicht einen hohen Wert generieren kann. Das Wichtigste bei einem ersten Value Case ist jedoch nicht die Höhe des Wertes, sondern wie schnell dieser realisiert werden kann.

Wenn du mit einem Case beginnst, der bereits nach kurzer Zeit einen bestimmten Wert liefert, auch wenn dieser nicht sonderlich hoch ist, sehen die Leute, dass er dem Unternehmen tatsächlich nützt. Wenn du hingegen zu lange brauchst, um einen Wert zu generieren, hinterlässt das ein ungutes Gefühl. Wähle daher "todsichere" Value Cases, die vielleicht kurzfristig weniger Wert liefern, aber leicht umzusetzen sind.

Solche Cases erzeugen eine positive Process-Mining-Erfahrung, wecken die richtigen Erwartungen an die Technologie und stärken eine "Can-do"-Mentalität. Ausserdem liefern sie, eingebettet in eine entsprechende Value Journey und mit sukzessiven Drill-Downs, auf lange Sicht doch einen hohen Wert.

Habit 4: Verpflichte dich der Verwirklichung und Aufrechterhaltung des Prozesses.
Nach der Identifizierung und Erfassung deines Prozesses musst du sicherstellen, dass die Process-Mining-Wertschöpfungskette durchgängig (End-to-End) durchgeführt wird. In einem ersten Schritt musst du dafür die Unterstützung des Unternehmens gewährleisten und zwar in Form einer formalen Freigabe. Stelle sicher, dass du dies bereits zu Beginn deines Value Cases tust.

Beziehe ausserdem alle technischen, Business- und Prozessverbesserungs-Akteure mit ein. Besonders wichtig ist die Einbindung der Finanzkontrolleure: Sprich dich mit ihnen ab und überprüfe die Wertberechnungen, da diese in jedem Unternehmen unterschiedlich gehandhabt werden.

Eine Process-Mining-Wertschöpfungskette besteht aus verschiedenen Phasen: die Scoping-Phase (Value Cases identifizieren und priorisieren), die Analysephase (Erkenntnisse generieren), die Wertrealisierungs-Phase (Verbesserungen umsetzen) und die Verfeinerungs- und Betriebsphase (Process Mining wird eingesetzt, um sicherzustellen, dass der Wert nachhaltig generiert wird). Um deine Process Mining-Wertschöpfungskette so nachhaltig wie möglich zu gestalten, gilt es, folgende Punkte zu beachten:

  • Statt dich mit «One-offs» aufzuhalten, konzentriere dich auf Cases, die einen nachhaltigen Verbesserungsprozess aufbauen.
  • Achte auf plötzliche Änderungen der strategischen Prioritäten (die dazu führen könnten, dass Cases abgebrochen werden).
  • Baue auf bestehenden Lösungen/Ansätzen auf.
  • Definiere Massnahmen für potenzielle Realisierungsrisiken/-lücken.


Habit 5: Werde «agile».
Beim Process Mining ist es – wie in vielen anderen Business-Kontexten auch – eine gute Idee, einen agilen Ansatz zu verfolgen. Neben Struktur und Timeboxing bietet dieser die Flexibilität, schnell zu einem anderen Value Case überzugehen, wenn der aktuelle Case nicht den erwarteten Wert liefert.

Die Denkweise ist: Es ist in Ordnung zu scheitern, es ist in Ordnung, Dinge falsch zu machen. Wenn man sieht, dass etwas nicht funktioniert, kann man es ändern und damit verbessern. Wenn man dies nicht zulässt, bleibt man stecken und die Zeit bis zur Wertschöpfung steigt.


Habit 6: Arbeite an der technischen Basis.
Das Schlimmste, was passieren kann, wenn man mitten im Process Mining steckt, ist, wegen einer fehlenden technischen Komponente den Wert nicht realisieren zu können. Stell dir etwa vor, du erkennst eine Möglichkeit, einen Prozess zu verbessern, die schnell mit einem bestimmten Handlungsablauf angegangen werden könnte. Allerdings fehlt dafür die technische Grundlage und ihre Implementierung würde einen langwierigen Change-Management-Prozess erfordern (z. B. eine Anbindung an das ERP-System).

Dank des Value Canvas weiss man von Anfang an, was man für die Umsetzung des Value Cases brauchen wird. Stelle also im Vorfeld oder während der Erkenntnis-Phase sicher, dass du über die notwendige technische Basis verfügst. So vermeidest du, dass du mitten in der Umsetzung wertvolle Zeit verlierst. Wenn die Lösung auf Machine Learning aufbaut, solltest du vor der Wertrealisierung genügend Zeit für das Testen, Validieren und Verfeinern des Modells einrechnen.


Habit 7: Setze die richtigen KPIs richtig ein.
In jedem Projekt musst du auf die Frage vorbereitet sein, welchen Wert das Projekt bereits gebracht hat. Wenn du unvorbereitet an diese Frage herangehst, wirst du zwangsläufig einen Rückschlag erleiden.

Um den Wert, den du mit Process Mining generierst, zu messen, kombinierst du am besten operative mit dynamischen KPIs, die auf eine spezifische Value Journey zugeschnitten sind (z. B. die Auswirkung offener Aufträge auf das Betriebskapital). Während dynamische oder zusammengesetzte KPIs komplexer zu messen sind, stellen sie eine klare Verbindung zwischen einer Änderung im Prozess und dem dadurch geschaffenen Wert her (z. B. indem wir die Anzahl offener Aufträge um 2 % verringern, erhöhen wir das Betriebskapital um 14 %).

Bei der Festlegung aussagekräftiger KPIs für deinen Process-Mining-Value-Case helfen dir die folgenden Fragen. Sie bilden das Rückgrat eines Value-Case-Canvas und treiben die Value Journey voran:

  • Was ist die übergeordnete strategische Vision des Wertschöpfungsprozesses (z. B. Erzielung einer 5-fachen Umsatzsteigerung durch Vereinfachung der Abläufe)?
  • Was sind die konkreten Ziele in Verbindung mit der strategischen Vision des Unternehmens?
  • Welche Inputs und Handlungsschritte entsprechen den einzelnen greifbaren Zielen?
  • Mit welchen zusammengesetzten KPIs/Metriken kann man jeden Handlungsschritt messen?
  • Welches ist das priorisierte KPI-Portfolio, über das berichtet werden soll, und welcher Wert ist mit diesen Kennzahlen verbunden (Verbesserungspotenzial)?


Key Takeaways

Wenn du dich an die in diesem Artikel vorgestellten 7 Habits hältst, kannst du die Zeit bis zur Wertschöpfung in deinem Process-Mining-Projekt verkürzen.

Konkret bringt die Anwendung dieser Habits meiner Erfahrung nach – die ich auch mit Timo Peters, Head of Process Insights & Value bei Bayer, teile – folgenden Nutzen:

  • Die Zeit bis zur Wertschöpfung wird um 30 bis 40 % verkürzt.
  • Es findet ein Mentalitäts-Wandel statt – weg von "One-off"-Projekten hin zu nachhaltiger Wertschöpfung.
  • Value-Cases, die verschiedene Geschäftsbereiche ansprechen, werden solide und strukturiert aufgebaut und verwaltet.
  • Der Wert kann einfacher getrackt und Sackgassen frühzeitig erkannt werden.
  • Das Bewusstsein für die gemessenen KPIs und ihre Auswirkungen auf das Business werden erhöht.
  • Ein breiterer Kreis von Stakeholdern beginnt, Process Mining als Schlüssel zur Prozessverbesserung zu erkennen.

Process Mining liefert faktenbasierte Erkenntnisse darüber, wo du die Prozesse deines Unternehmens verbessern kannst. Somit ist es der Schlüssel zu erfolgreichen datengestützten Transformationen, bei denen der "Wert" im Mittelpunkt des Ansatzes steht. Die oben erwähnten 7 Habits sind Werkzeuge, um schnell Produktivität zu steigern und diese Steigerung auch zu messen. Neugierig geworden? Probier’s aus!

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